Wirtschaft warnt: zu wenig Solardächer

Marktforscher, Unternehmer und ihre Verbände warnen vor über 30 Prozent weniger Nachfrage nach Solardächern in 2022 – Mittelstand will stärker in Photovoltaik investieren, trifft dabei aber auf Hindernisse – Bundesverbände für Solarwirtschaft und mittelständische Wirtschaft fordern Beseitigung dieser Barrieren und attraktive Marktprämien

Unternehmensverbände registrieren gegenwärtig einen deutlichen Investitionsrückgang bei gewerblichen Solardächern. In einer heute veröffentlichten Studie machten Marktforscher von EUPD Research eine kontinuierliche Verschlechterung der Investitionsbedingungen als wesentliche Ursache dafür aus. Gleichzeitig warnen sie vor einem Markteinbruch auch bei Solarenergie in Privathaushalten im nächsten Jahr.

Diese Entwicklungen stehen im direkten Widerspruch zum Plan einer künftigen Bundesregierung, dass „alle geeigneten Dachflächen für Solarenergie genutzt“ werden. So soll der Ausbau Erneuerbarer Energien „drastisch beschleunigt“ werden (Wortlaut aus dem Ergebnispapier der Sondierungsverhandlungen vom 15. Oktober). Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) fordern daher die schnelle Wiederherstellung attraktiver Investitionsbedingungen und kostendeckender Marktprämien unmittelbar nach Regierungsbildung.

Nach den Berechnungen von EUPD Research ging die neu installierte Solarstromleistung auf Gewerbedächern in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr bereits um 18 Prozent zurück.* Die Marktprämien für neue Solarstromanlagen sind seit Anfang 2020 um 29 Prozent gefallen und sinken monatlich weiter, während die Preise für Solarstromanlagen in diesem Zeitraum gestiegen sind. Die Installation neuer Solardächer werde damit wirtschaftlich zunehmend unattraktiver. „Es ist überfällig, den Anspruch des Gesetzgebers wieder einzulösen und die Fördersätze mit der Technologie- und Systempreisentwicklung sowie den verschärften Klimaschutzzielen politisch in Einklang zu bringen“, meint Dr. Martin Ammon, Geschäftsführer und Studienleiter bei EUPD Research. Ohne rechtzeitige politische Gegenmaßnahmen werde die Nachfrage nach Solardächern nicht wachsen, sondern im kommenden Jahr um ein Drittel einbrechen, so die Prognose der Bonner Marktforscher.

Der BSW fordert die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP auf, die jährlichen Ausbauziele für die Solartechnik stufenweise auf 20 Gigawatt zu vervierfachen. Mittels einer Sofortmaßnahme zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) müsse zeitgleich aber auch die notwendige Voraussetzung geschaffen werden, dass dieses Ziel auch erreichbar werde. Größtes Hemmnis sei dabei der in §§ 48, 49 EEG gesetzlich festgelegte „atmende Deckel“. Dieser habe im Zusammenspiel mit dem seit zehn Jahren weitgehend unangepassten und zur Erreichung der Klimaziele und Vermeidung einer Stromlücke viel zu geringen Zubau-Ziel für Solardächer dramatische Marktauswirkungen: Ein dringend reparaturbedürftiger Algorithmus bestimmt die Förderhöhe für Solarstrom aus neu errichteten Solaranlagen. Dieser führt zu systematisch zu geringer Kompensation für eingespeisten Grünstrom aus Solaranlagen und entsprechend geringer Nachfrage.

Nach den Vorstellungen beider Verbände sollte dieser „atmende Deckel“ in einem 100 Tage-Solarbeschleunigungsgesetz neu kalibriert und somit zu einem „Solar-Booster“ weiterentwickelt werden. Die Rahmenbedingungen müssten sich klar an der Zielerreichung der erst jüngst verschärften Klimaziele orientieren. Rückendeckung erhält die Branche in dieser Frage auch vom Umweltbundesamt. Dieses hatte erst vor wenigen Wochen auf Basis einer Auftragsstudie des Öko-Instituts die Umwandlung des Deckels in eine „Hebebühne“ gefordert, um den Investitionserwartungen von Unternehmern und privaten Verbrauchern wieder zu entsprechen.

Die von der Ampel-Koalition geplante Einführung von Solarpflichten könnte wegen ihres zu geringen Marktimpulses diesen seit Jahren bestehenden Reformstau hingegen nicht kompensieren, sondern bestenfalls flankierend wirken, so die übereinstimmende Meinung von BSW und BVMW.

„Immer mehr Unternehmer wollen in Solartechnik investieren und ihren künftigen Energiebedarf aus Erneuerbaren Energien sichern. Dabei treffen sie aber auf immer mehr Marktbarrieren und Bürokratie“, beklagt der Chefvolkswirt des BVMW Dr. Hans-Jürgen Völz.

„Wer den Klimaschutz ernst nimmt und eine Laufzeitverlängerung von Atom- und Kohlemeilern durch die europäische Hintertür verhindern will, muss den Ausbau der Solar- und Speichertechnologien jetzt massiv beschleunigen, ihre Finanzierung absichern und alle Bremsen lösen“, mahnt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.

Dazu zählen nach Übereinstimmung von BSW und BVMW auch eine Anhebung der Ausschreibungsgrenze für PV-Aufdachanlagen, die Ausweitung des abgabenfreien Eigenverbrauchs von Solarstrom, die Abschaffung der Personenidentität beim Verbrauch dieses Stroms vor Ort, der Abbau bürokratischer Barrieren sowie die Etablierung langfristiger Planungssicherheit für Solaranlagenbetreiber.

*Leistungsklasse 30-750 Kilowattpeak

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